Diesellokomotiven unter sich
Wenig Besucher und keine Dampflok beim 4. Rheinsberger Bahnhofsfest

RHEINSBERG. "Disziplin, Ordnung und Sicherheit - Aufgabe der Eisenbahner!" steht auf einem roten Schild am Bahnhofsgebäude. Und in Lindow hat jemand an eine Betonwand geschrieben: "Reisefreiheit für DDR-Bürger". Vor der Wand steht ein Volkspolizist neben seinem grün-weißen Wartburg und betrachtet die "Schmiererei".
(N)ostalgie in der aufgegebenen Halle der Berlin Chemie in Rheinsberg: Die komplette Eisenbahnstrecke von Herzberg (Mark) über Lindow und Rheinsberg bis Flecken Zechlin haben Modellbahn-Fans dort im Maßstab 1:87 aufgebaut, liebevoll bis ins Detail: Das Andreaskreuz an der Straße nach Schönberg blinkt wirklich, wenn ein Kohlenzug vorbeikommt. Ein alter Ikarus-Bus wartet artig. Ein alter Ikarus-Bus wartet artig. Der Fahrtzielanzeiger aus Holz auf dem Bahnhof Herzberg fehlt ebenso wenig wie der Rheinsberger Lokschuppen.
In der Realität wurde die Strecke nach Flecken Zechlin schon 1956 demontiert und den Lokschuppen hat längst die Arbeitsgemeinschaft Rheinsberger Bahnhof mit ihrer bahnhistorischen Ausstellung gefüllt.
Trotz des vierten Rheinsberger Bahnhofsfestes herrschte in der Ausstellung am Sonnabend kein Gedränge. So schlecht besucht war das Bahnhofsfest wohl noch nie. Lustlos dreht sich das Kinderkarussell für einen kleinen Jungen. Auf Zuckerwatte und gebrannte Mandeln hatte bei der Hitze niemand Lust. Auch die Lokomotiven standen recht verloren auf ihren Gleisen und selbst Dietger Spielhagen aus Gransee hatte wenig zu tun: "Ich kenne das nur so, dass sich die Leute fast prügeln, wer als Nächster mit meiner Draisine mitfahren darf." Der Sechssitzer erreicht mühelos 40 Stundenkilometer, doch auch das zog nur wenige Interessierte an. Allein vor den Würstchen-, Bier und Kuchenständen hielt sich eine kleine Menschenansammlung. Am Sonntag war der Bahnhof belebter, doch es fehlte die 52er-Dampflok. Wegen eines Defekts und der Waldbrand-Warnstufe 4 musste sie im Depot bleiben.
Für echte Kenner allerdings stand am Sonnabend etwas viel Selteneres auf dem Rheinsberger Gleis: der einzige noch existierende Diesellok-Prototyp der Baureihe V 160, 1961 gebaut bei Krupp in Essen – aber eben "nur" eine Diesellok. 90 Eisenbahnfreunde aus Lübeck waren damit am Sonnabend aus der Hansestadt nach Rheinsberg und abends wieder nach Hause gefahren. Die ursprünglich angekündigte V 200 kam nicht. Aus Neustrelitz waren Eisenbahnfans ebenfalls mit einem Museumsstück angereist: der ersten je gebauten 772er-"Ferkeltaxe", ganz in Rot natürlich.
Mutige konnten sich das Spektakel samt Rheinsberger Schloss für 2,50 Euro auch von oben betrachten: Aus einem Stahlkorb am Haken eines Krans – gehalten von einem 16 Millimeter dünnen Stahlseil. In 60 Metern Höhe.
Christian Kranz
(MAZ (Ruppiner Tageblatt), 2002-09-02)


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