Per Zug in die Vergangenheit
Eisenbahnfans halten mit einer Ausstellung den Rheinsberger Bahnhof am Leben
Rheinsberg. Für Werner Gotthardt ist der Besuch des Eisenbahnmuseums auf dem Rheinsberger Bahnhofsgelände ein reines Schwelgen in Erinnerungen. Der 86-jährige war 33 Jahre Leiter des Bahnbetriebswerks Neuruppin und, wie er betont, "gleichzeitig auch der dienstälteste eines Betriebswerks der Deutschen Reichsbahn". In der liebevoll zusammengestellten Ausstellung, die die Arbeitsgemeinschaft Rheinsberger Bahnhof immer wieder mit Neuanschaffungen bestückt, stößt Werner Gotthardt unter anderem auf eine Doppelkolbenpumpe aus dem Jahr 1938. "Die haben wir gehütet wie unseren Augapfel", erinnert sich der Senior. Damit wurde bis 1970 Brauchwasser aus dem Klappgraben in den Wasserturm des Bahnbetriebswerks befördert, der wiederum alle Wasserkräne des Werks und den Neuruppiner Bahnhof speiste. Auch "sein" ehemaliges Notstromaggregat findet Gotthardt dort wieder.
"Wir haben eine sehr große Kleinteileausstellung", sagt Vereinschef Udo Blankenburger stolz. Alte Eisenbahntechnik, Fahrkarten, Dokumente, Schienen, Gleisbefestigungen, Weichen und vieles mehr, was das Herz von Eisenbahnfans höher schlagen lässt, sind dort zu sehen. Das alles haben die Vereinsmitglieder im Laufe der Jahre zusammengetragen. "Wir wollen nachfolgenden Generationen vermitteln, wie Eisenbahn mal war. Viele Kinder kennen heute keine Zugfahrten mehr", sagt der zweite Vorsitzende Gottfried Koch. Der ehemalige Eisenbahner engagiert sich seit 2003 im Verein. Sein Interesse an alter Technik und allem, was mit Eisenbahnen zu tun hat, gilt der Zeit vor 1994. Bevor die Deutsche Bahn als Aktiengesellschaft gegründet wurde. Sie entstand aus der Zusammenlegung der beiden Staatsbahnen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn. Für Gottfried Koch ist es seitdem nicht mehr "die Bahn". Er hält es mehr mit dem ehemaligen Reichskanzler Bismarck, der die Bestimmung von Eisenbahnen nicht in erster Linie im Erzielen von Gewinnen sah, sondern "als dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten". Auch Blankenburgers Liebe gilt alten Maschinen wie den Dampfloks. Der gelernte Fahrzeugschlosser sattelte mit 50 Jahren auf den Beruf des Lokführers um. Heute arbeitet er als Zugbegleiter. In seiner Freizeit widmet er sich seiner Leidenschaft, der alten Eisenbahntechnik. Dieses Hobby verbindet ihn mit seinen Vereinskollegen.
Gegründet wurde der Verein 1997 von damals aktiven und ehemaligen Eisenbahnern, die den Rheinsberger Bahnhof wieder beleben wollten. 1996 war die Fahrkartenausgabe geschlossen, der Personenverkehr zum Kernkraftwerk eingestellt worden. Dem Verein ist zu verdanken, dass der Rheinsberger Bahnhof erhalten bleibt. 29 Mitglieder hat der Verein zurzeit. "Die wenigsten davon sind Eisenbahner. Das war bei der Vereinsgründung anders", sagt Udo Blankenburger. Der 27-jährige Nicht-Eisenbahner Carsten Hacke ist seit 2000 dabei und erfüllt sich damit einen Kindheitstraum. Er hilft, wo er kann.
Zu tun gibt es genug. Da müssen Schwellen gewechselt, Wagen gestrichen oder das Dach geteert werden. In diesem Jahr konnte der Verein seine Sammlung um eine Holzschwellenfräse erweitern, die aufgearbeitet werden muss. Die Auffahrt wurde befestigt, ein Trägergestell für eine Überdachung des Lokschuppens gebaut, der U-Bahn-Wagen lackiert. Arbeitslos wird der Verein, der in zwei Jahren sein 20-jähriges Bestehen feiert, so schnell also nicht. Was er in dieser Zeit auf die Beine gestellt hat, ist sehenswert, auch für Nicht-Eisenbahnfans.
Hinweis: Die Ausstellung ist jeden Dienstag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Informationen gibt es unter www.bahnhof-rheinsberg.de.
Dagmar Simons
(MAZ, 2015-09-22)