Nostalgie im Lokschuppen
Beim 9. Rheinsberger Bahnhofsfest kamen am Wochenende wieder viele Besucher in Fahrt
RHEINSBERG. Eisenbahnfahren ist schon eine feine Sache. Man kann Hunderte von Kilometern zurücklegen, ohne einen Schritt zu gehen und dabei kann man noch in aller Ruhe die Landschaft betrachten.
Den Liebhabern von Schienenfahrzeugen, die sich am Wochenende in Rheinsberg trafen, ist diese Tatsache aber ziemlich egal. Sie hatten es eher auf schmierige Eisenteile, alte Schilder und nostalgische Signalanlagen abgesehen. Und so ist es schon verständlich, dass die Augen vieler Besucher beim Betreten des alten Lokschuppens am Rheinsberger Bahnhof zu leuchten begannen.
Am vergangenen Wochenende luden die Arbeitsgemeinschaft Rheinsberger Bahnhof und der Heimatverein Rheinsberger Seenkette zum 9. Bahnhofsfest ein. Zwei Tage hatten die Fans alter Technik Gelegenheit, Brems- und Reglerventile, Druckluftprüfer, Schienenbohrgeräte und viele andere interessante Geräte in Augenschein zu nehmen.
Holger Pfeifer und Gottfried Koch von der Arbeitsgemeinschaft Rheinsberger Bahnhof sparten nicht mit Informationen. Jeder interessiert dreinblickende Besucher wurde augenblicklich aufgespürt und in die Geheimnisse der Eisenbahngeschichte eingeweiht.
Wer die Ausgangstür erreichte, war um viele Informationen reicher und wusste wie ein Schienenkopfschleifgerät funktioniert. Dass die alten Bahntoiletten über eine Geruchsdichtung und zwei Brillen verfügten und wie das Außenläutewerk betätigt wird, war ebenfalls zu erfahren. Vor dem Lokschuppen konnten die Besucher selbst Hand anlegen, Löcher in das Eisen bohren oder die Schienensäge betätigen. Während die Väter mit Begeisterung dabei waren, hielt sich das Interesse ihrer Söhne eher in Grenzen.
1999 wurde die Eisenbahnausstellung zum 100-jährigen Jubiläum der Strecke Löwenberg - Rheinsberg aufgebaut und seitdem wurde die Sammlung ständig erweitert. Es gab aber auch Gelegenheiten, die Eisenbahn selbst als Transportmittel zu nutzen. Der Verein Hafenbahn Neustrelitz fuhr mit seinem knallroten Triebwagen der Baureihe 772 zum Werkbahnhof Stechlinsee.
So bestand auch in diesem Jahr noch einmal die Möglichkeit, die Strecke zum stillgelegten Kernkraftwerk kennen zu lernen. Wer sich lieber auf eigene Muskelkraft verlassen wollte, der konnte per Draisine das Gelände erkunden. Nicht mehr fahrtüchtig, aber dennoch interessant, war der Berliner U-Bahnwagen aus dem Jahr 1927.
Im Gebäude der ehemaligen Berlin-Chemie waren Günter Leupolt und Reiner Heiniken aus Templin mit ihrer Gartenbahnanlage zu Gast. Vor 20 Jahren hatte Reiner Heiniken mit dem Bau von Wagen, Loks und Schienen begonnen. Für seine erste Lok verwendete er einen Scheibenwischermotor vom Trabant.
Dieser musste natürlich zwischen die Antriebsräder der Lok passen - die „Templiner Spur" mit einer Spurweite von 82 Millimeter war geboren. Für die Enkelkinder baute der Eisenbahnliebhaber die Lokomotive Emma nach, die mit Lukas durch die Landschaften der Augsburger Puppenkiste schnaubte. Die drei Anhänger tragen die Namen der Enkelkinder: Luca, Anna und Lukas. Günter Leupolt hat sich vor einigen Jahren anstecken lassen von einer Sucht, die nicht mehr heilbar ist.
Die Ehefrauen der beiden Männer sind nicht gerade glücklich über das zeitaufwändige Hobby ihrer Männer, aber Reiner Heiniken hat inzwischen eine Lösung für sein Eheglück gefunden, er hat eine Klingelanlage im Bastelkeller installiert. Wenn seine Frau ihn braucht, ertönt im Keller ein Signal.
Seine Gartenbahn können Interessierte den ganzen Sommer über im Templiner Garten bewundern, die Bahnanlage ist wetterfest. Die Schwellen sägt der Bastler aus Hartholz, die Gleise sind aus Messingblech gefertigt. "Als Vorbilder verwenden wir oft auch H0-Eisenbahnmodelle. Die Maße brauchen wir nur mit 5 multiplizieren", erzählt Günter Leupolt.
Während die beiden Hobbyeisenbahner von ihrer Leidenschaft berichten, drehen die Loks und Wagons ihre Kreise, kleine Pannen werden schnell wieder behoben. Bisher hatte Reiner Heineken nur dreiachsige Loks gebaut. Im letzten Jahr waren wir in Kühlungsborn an der Ostseeküste und sind mit der Schmalspurbahn "Molli" gefahren. Das war für mich die Anregung, es auch einmal mit fünf Achsen zu probieren." Nicht immer stehen die beiden Männer im Bastelraum, ab und zu fahren sie gemeinsam zu einem Modelleisenbahntreffen oder schreiben Artikel für die "Gartenbahn".
Cornelia Felsch
(MAZ, 2007-09-04)