Erste Hilfe für leidenden U-Bahn-Wagen
Acht Säulen vom Bahnhof Berlin-Ostkreuz / Am Sonnabend ist auch das Modell des Castor-Zuges zu sehen
RHEINSBERG. Der Rheinsberger U-Bahn-Waggon leidet. Seit 2006 steht er ungeschützt auf dem Gelände der Arbeitsgemeinschaft (AG) Rheinsberger Bahnhof. Regen, Wind, Schnee, Eis und Kälte schaden ihm. Die AG will das historische Gefährt nun dauerhaft schützen.
Gottfried Koch ist zweiter Vorsitzender der AG. Der Wagen sei schon ein sehr interessantes Stück Zeitgeschichte, sagte der 60-Jährige gestern. Gebaut wurde der große Gelbe im Jahre 1927. Bis 1969 war er auf Westberliner U-Bahn-Strecken unterwegs. Danach nutzte ihn ein großes Berliner Mercedes-Autohaus. Im Hauptgeschäft am Salzufer stand der Waggon. In seinem Inneren wurden sich die Autoverkäufer und künftigen -besitzer handelseinig - oder auch nicht.
Durch die damalige Vermittlung des inzwischen verstorbenen Rheinsberger Ehrenbürgers Jürgen Graf kam der Wagen 2006 nach Rheinsberg. Mercedes verschenkte ihn. Eigentümer ist seitdem die AG. Anfangs moderierte der Journalist Graf Talkrunden im Inneren des Waggons. Gefragt ist die U-Bahn in der Kleinstadt ohne U-Bahn aber noch immer. Oft wollen Besucher des Eisenbahnmuseums sich das Wageninnere ansehen. Dann erzählt Koch oder ein anderes Mitglied der AG, wie alt die Werbetafeln an den Holzwänden sind und weshalb das Berliner U-Bahnnetz des Jahres 1969 an der Wand sich vom heutigen massiv unterscheidet.
Bliebe der Waggon weiterhin ungeschützt, wäre er in ein paar Jahren nur noch Schrott. Die Türen haben die Eisenbahnfreunde schon mal mit Plastikfolien abgedichtet. Doch es ist viel mehr nötig. Ein Geschenk der Deutschen Bahn AG soll nun helfen. Dabei handelt es sich um acht stählerne Säulen aus dem Jahr 1903, die ein Dach des alten Berliner Bahnhofs Ostkreuz trugen. Diese schweren Träger sollen zu beiden Seiten des Bahnwagens montiert werden. Ein Architekturbüro soll ein passendes Dach konstruieren. Alles in allem brauchen die Bahn-Fans etwa 10000 Euro. Bislang konnten sie nur einen recht kleinen Teil davon aufbringen. Mit 1000 Euro will sich das ortsansässige Architekturbüro beteiligen. Vom Kernkraftwerk gibt es die Zusage, den Unterstand mit schwerer Technik für die AG kostenfrei zu montieren. Außerdem hat die AG Lottomittel beantragt, bei der Sparkasse wegen einer Spende nachgefragt und hofft auf eine Förderung aus der Zwei-Euro-Pauschale der Kernstadt. Wer etwas spenden möchte, erfährt mehr im Internet unter www.bahnhof-rheinsberg.de.
Geplant ist auch ein Schutzanstrich des Wagens mit teurer Spezialfarbe, die der ortsansässige Maler Rehberg spendieren will. Die Planung des gesamten Vorhabens kann aber erst beginnen, wenn genug Geld da ist.
Wer sich den Wagen oder das Museum mit seinen vielen historischen Bahn-Details ansehen will, hat dazu am ersten Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember, sowie am Neujahrstag Gelegenheit. Geöffnet ist an beiden Terminen von 13 bis 17 Uhr. Die AG hat sich erstmals für diese Sonder-Öffnungszeiten entschieden. Eltern und Kinder hätten genug Zeit, sich die Exponate in Ruhe anzusehen, schätzte Koch gestern ein. Nur die beim Bahnhofsfest im Sommer stets so beliebte Draisine kann nicht genutzt werden, denn die Gleise liegen tief verschneit.
Erstmals öffentlich gezeigt wird ein Modell des Rheinsberger Castor-Zuges, dessen großes Original ebenfalls zum Bestand der AG gehört. Das Abbild im Maßstab TT ist ein Geschenk des Kernkraftwerks. Für Modellbahner gibt es den Zug seit kurzem im Fachhandel.
Der Vorruheständler Koch ist noch immer mit Leib und Seele Eisenbahner. Seit der Lehre arbeitete er bei der Bahn, zuletzt als Bezirksleiter Betrieb. Die 30 Mitstreiter in der AG sind 19 bis 76 Jahre alt. Einige sind wie Koch Bahner, doch sie sind auch in ganz anderen Berufen zu Hause. Wer Lust auf eine Mitgliedschaft bekommen hat, erfährt auch dazu mehr an den schon genannten Öffnungstagen des Museums.
Holger Rudolph
(Ruppiner Anzeiger, 2010-12-23)